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01.05.2003 Jena "Passive Einwirkung" - Alternative zu Zwang

Hindernisse im Dienste der Hunde-Erziehung oder des Hunde-Sports einzusetzen, ist nicht neu. Allerdings gab es bisher lediglich Beschreibung einzelner Situationen (etwa als Rat, man solle die Freifolge anfangs an einem Zaun oder an einer Mauer entlang üben.) Die Bedeutung des Phänomens für die didaktisch-methodischen Möglichkeiten der gesamten Hunde-Ausbildung wurde bislang nicht erkannt, was sich allein schon dadurch zeigt, daß es nicht einmal einen Begriff dafür gab.

Im folgenden Artikel soll nicht nur das Phänomen beschrieben, sondern auch die ausgearbeiteten und inzwischen erprobten Einsatzmöglichkeiten als methodische Bereicherung vorgestellt werden. Wir sprechen von der "Passiven Einwirkung". Was verbirgt sich hinter diesem scheinbaren Anachronismus? Unter "Einwirkung" versteht man ja normalerweise das "Aktive in Aktion Treten" des Trainers. Man denkt zuerst einmal an Leinenruck oder andere, instrumentell vermittelte Reize. Aber auch psychisches "In Aktion Treten" ist "Einwirkung": beispielsweise eine drohende Körperhaltung, eine zornentbrannto Mimik oder der Klang eines scharf gesprochenen Hörzeichens.

Psychische und physiche Einwirkungen stehen in welcheiseitiger Beeinflussung und lassen sich streng genommen nicht voneinander trennen. Trotzdem treten sie in untert-

Unterordnungstraining auf neueArt:"Passive Einwirkungen" verhelfen zurformalen Perfektion sportlicher Aufgaben - ohne Zwang und Druck- Die im Kreis stehenden Pflöcke beispielsweise bieten zahlreiche Übungsmöglichkeiten für korrektes Absitzen, Abliegen, Stehen - auch im schnellen Wechsel.

schiedlicher Betonung auf. Wegen der komplexen Wechselwirkungen lassen sich Einwirkungen nie genau vorausbestimmen, denn ihr Erfolg hängt letzlich nicht vom Sender, sondern vom Empfänger ab. Eine physisch orientierte Einwirkung, etwa ein zwanghaftes Niederdrücken zum oder kann bei einem bestimmten HundeIndividuum nicht das erwartete "Einfügen und Unterordnen", sondern "Angst" hervorrufen, wodurch das angestrebte Ziel möglicherweise vereitelt wird.

Wenn wir uns kurz in Erinnerung rufen, in welcher Zielsetzung Einwirkungen gewöhnlich zum Einsatz kommen, dann stößt man immer wieder auf die formalen Anforderungen bestimmter Aufgaben. Daß der Hund auf das Hörzeichen heranläuft und vorsitzt, ist relativ einfach zu erreichen. Schwierig wird es erst, wenn der Hund im Vorsitzen zusätzlich ganz bestimmte formale Vorgaben erfüllen muß, und zwar immer gleich und in jeder Situation. VVir wollen hier nicht darüber diskutieren, wie weit traditionelle sportliche Leistungsanforderungen verbesserungswürdig sind. Aber wir wollen, - dem Ideal der "Mensch-Hund-Harmonie" folgend , hohe sportliche Herausforderung mit den Zielen einer artgerechten, individualspezifischen und vor allem lustvollen Vermittlung vereinen. Und zwar nicht mit Abstrichen auf der einen oder anderen Seite, und auch nicht als gutgemeinten Kompromiß, sondern als echte Synthese.

Aktive Einwirkung, die auf Meidemotivation baut, trägt bekanntlich enorme und teils unberechenbare Rsiken in sich. Kein Wunder, daß sich immer mehr Hundehalter und Trainer nicht nur aus ehtischer Verantwortung, sondern auch aus Leistungsperspektiven den alternativen Ausbildungsmothoden zu und vom Zwang ab-wenden. "Positive Motivation" (oder "Bestärkung") steht hoch im Kurs. Die Anhänger der "sanften Ausbildung", sofern sie es ernst meinen, splitten Übungen meist in zahlreiche Stufen und Teile auf, üben sie getrennt, parallel oder auch aufbauend nacheinander, - jeden einzelnen Lernschritt mit positiver Bestärkung beendend und ohne Zwang. Es ist mittlerweile unbestritten, daß dieser Weg zum Erfolg führt. Und immer mehr Sportler begreifen langsam, daß auf diesem Weg nicht der geringste Abstrich in punkte Leistungs-Ausführung oder -Sicherheit zu beklagen ist.

Trotzdem gibt es auch bei "sanfter Ausbildung" einiges zu bedenken. Zum einen ist ein derartiger Aufbau oft langwierig und umfangreich. Zum anderen werden leider in manchen "Vorstadien" positiver Vermittlung Verhaltensdetails eingeschliffen, die sich später als hinderlich herausstellen und die es im weiteren Verlauf - wiederum aufwendig - zu korrigieren gilt. Auch die"Positive Motivation" ist also kein Allheilmittel, ist nicht der "Stein der Weisen". Positive Motivation braucht weitere Gegen- und Mitspieler, damit sie effizient und frei von Folgeproblemen verfügbar wird.

Aus pädgagogischer Sicht wäre es zweifelhaft besser, eine Übung von Anfang an vollständig und richtig, auch in ihren formalen Ansprüchen, zu vermitteln. Aber das ist leichter gesagt als getan. Hier bietet sich die "Passive Einwirkung" als Synergist (Mitspieler) an. In dem Video "Richtig Spielen mit

Hunden" (1996) wurde gezeigt, daß bereits ein zehn Wochen alter Welpe die Grundstellung aus dem Vorsitzen nicht nur lustvoll, sondern von Anfang an formal korrekt, tatsächlich fehlerfrei, auszufahren imstande ist; - ohne jeden Zwang, - allein mit Hilfe von Spiel, Motivation und:"Passiver Einwirkung". Eine Begrenzung auf der linken Seite (ein kleiner Hocker) sorgte dafür, daß der Hund nicht, wie er es normalerweise tun würde, schief und im Abstand hinsetzt, sondern aufs erstemal dicht am Hundeführer bleibt. Die formalen Lerninhalte der "Formung" (so nennen Tierpädagogen Vermittlungsvorgänge) wurden in dieser Übung nicht mittels Motivation, sondern durch die Wirkung eines Gegenstandes eingebracht. In unserem Beispiel wurde die Übung nicht in Teile zerlegt, sondern ganzheitlich vermittelt. Das Wesentliche dieses Didaktischen Ansatzes bestand in der Verteilung der Lerndetailziele auf verschiedene, aber gleichzeitig wirkende Formprinzipien. Spiel und Motivation wurden, einfach ausgedruckt, für die Drehung des Hundes um die Beine (und für das nachfolgende Sitzen), - die "Passive Einwirkung" hingegen für den formalen Teil der Ausführung eingesetzt, also für das geometrisch parallel zum Hundeführer ausgerichtete Sitzen, ohne seitlichen Abstand.

Dieses Beispiel bot einen ersten Einblick. Um das Phänomen der "Passiven Einwirkung" jedoch noch besser zu verstehen, müssen wir vorab einige ethologische und pädagogische Zusammenhänge in Erinnerung rufen.

Leiteffekte:

Ein Hund, der absichtslos an einem Wiesenrand entlang trabt, läßt sich in seiner Richtung durch die Geometrie der Begrenzung leiten. Wir nennen das "Leiteffekt". Würde der Hund allerdings in der Wiese oder anderswo eine Maus entdecken, so wäre die aufflammende Jagd-Motivation stärker als der eher sanft und zart wirkende Leiteffekt des WiesenrandesDer Hund würde die Richtung trotz Leiteffekt ändern. Verlagern wir das Szenario in eine Stadt, wo sich derselbe Hund nicht durch einen Wiesenrand, sondern durch einen hohen Zaun leiten läßt: Entdeckt er auf der unzugänglichen Seite des Zaunes eine Maus, so wird er möglicherweise wild versuchen, durch den Zaun zu dringen. Vergeblich. Uns interessiert in diesem Zusammenhang Folgendes: Eine Wiesenrandleitlinie läßt sich verhältnismäßig leicht überlreten, der hohe Eisenzaun hingegen bietet ein unüberwindliches Hindernis. Ubrigens, auch der Mensch läßt sich von Leitlinien leiten, und wie beim Hund läuft auch bei ihm der Anpassungsprozess weitgehend unbewußt ab. Wiederholt sich die Einwirkung des Leiteffektes, so verstärkt sich dadurch der Effekt beträchtlich. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Hundeschlitten. Zughunde sind gewohnt, auf vorpräparierten Pisten oder Wegen zu laufen. Sie lassen sich nur schwer dazu bewegen, den Weg zu verlassen und querfeldein zu laufen. Gewöhnungssache! Durch Gewöhnung (Habituation) kann nahezu alles zum wirkungsvollen Leiteffekt werden: Mauern, Bäche, Bäume, Büsche, Seeufer, Bewuchswechsel, aber auch gespannte oder am Boden liegende Seile, Steine, Pflöcke, Gegenstände u.A. Der Effekt kann je nach Anordnung zur Stimulation für horizontale (Richtungs- Leitung oder -Änderung) oder auch vertikale (Hoch - Tio@ Bewegungsanpassung werden. Die Bewegungsanpassung folgt dem Verlauf der Leitlinie entweder geradlinig, kurvig, - symmetrisch oder asymmetrisch.

Der terrninus"Passive Einwirkung" ist als Überbegriff für die verschiedenen, auf dem Prinzip des Leiteffekts aufbauenden Formungsmöglichkeiten zu verstehen. Genauer gesagt geht es um: "Leit-, Stop-, Begrenzungs-, und Verzögerungs-Effekte"., also um örtliche und zeitliche Phänomene. Mit dem Wort "Passiv" soll ausgedruckt werden, daß die beabsichtigte Einwirkung nicht durch Aktionen des Trainers zur Geltung kommen, sondern durch die erwähnten Umgebungs-und Gegenstands-Effekte.

Auch jene Vorgänge, bei welchen der Trainer Gegenstände (im Sinne der Leiteffekte!) mit den Händen führt, zählen noch zur Passiven

Einwirkung". Da hier nicht die hand, sondern der geführte Gegenstand den eigentlichen Effekt ausmacht, ist die Integration dieser Formung in die "Passive" Einwirkung hinreichend gerechtfertigt. Voraussetzung für alle"Passiven Einwirkungen" ist jedoch das behutsame Vertrautmachen des Hundes mit den eingesetzten Gegenständen. Erst wenn sich der Hund absolut unbefangen zeigt, darf mit dem methodischen Einsatz der Passiven Einwirkung begonnen werden. Konfrontiert man einen Hund unvorbereitet etwa mit einem Leitzaun, so wird er, je nach Erbgut und Umwelterfahrung, Angst zeigen oder darüberspringen. Im Folgenden beschreiben wir einige methodischen Einsatzmöglichkeiten der Passiven Einwirkung

1) Herankornmen

Aus Raummanngel beschränken wir uns auf die formale Aufgabenstellung des"geradlinigen Haranlaufens und des geraden Vorsitzens"im Herankommen. Es kommt immer wieder vor, daß Hunde nicht geradlinig, sondern in einem mehr oder minder ausgeprägten "Bogen" herankommen. Als Korrekturhilfe bieten sich mehrere Varianten Passiver Einwirkung an:

a) Leinen-Korridor: Im schlimmsten Falle läuft der Hund Bögen in beide Richtungen (SBögen). Für diesen, allerdings selten vorkommenden Fall steckt man mittels Pfl(5cken und Leinen einen anfangs zirka 4 Meter breiten Korridor aus. Die ersten Male läuft man mit dem Hund durch den Korridor, dann läßt man ihn alleine ein kurzes Stück durchlaufen. Dann wird die Strecke verlängert und der Korridor schmaler und schmaler gesteckt. Wie bei allen Korrekturmaßnahmen, so gilt auch hier: Für einen erfolgreichen Ausgang ist die ausnahmslose, konsequente Durchführung über einen gewissen Zeitraum erforderlich.

b) Leinen-Leitlinie: Läuft der Hund den Bogen nur auf eine Seite, so reicht gewöhnlich das Ausstecken einer Leitlinie aus.

Bei zunehmenden Fortschritten unter Verwendung des Leinen-Korridors oder der Leinen-Leitlinie geht man dazu über, die Leitlinie nicht mehr über die gesamte Länge, sondern nur im "Kritischen Bereich" aufzustellen, und zwar als "Gegenbogen". Der Gegenbogen fängt den herankommenden Hund weich auf, verhindert ein Durchlaufen auf der falschen Seite und wirkt "optisch zunehmend". Das heißt, im Verlauf des Herankommens nimmt der Leiteffekt genau dort zu, wo ihn der Hund am nötigsten braucht. In weiterer Folge reicht oft allein schon das Aufstellen eines Pflocks im Kritischen Bereich. An Stelle der Leine können natürlich auch (die stärker wirkenden) Gitter oder Netze aufgestellt werden.

c) Trichter-Leiteffekt: Kommt der Hund zwar gerade heran, setzt sich aber schief vor, so stellen wir zwei Zäune in Form eines Trieb ters auf und führen so den Hund gerade heran. Auch hier muß der Hund zuerst mit den Gegenständen vertraut gemacht werden: Die Gitter werden anfangs weit auseinandergestellt, später immer enger. Zusätzlich kann man den Hund durch die gegrätschten Beine laufen lassen. Mit der Zeit werden die beiden Seitenteile des Trichters enger zusammengesteilt und (oder) der trapezbildende Winkel reduziert. Am Ende läuft der Hund durch einen Korridor mit parallel gerichteten Außenseiten.

d) Trichter mittels Gerten: Unter der Voraussetzung, daß der Hund die Gert@n n'@"t als Strafmittel, sondern als neutrale oder auch freundliche Berührung vermittelte Gegenstände kennengelernt hat, lassen sich an Stelle der soeben beschriebenen Zäune oder Leinen auch Gerten verwenden. Zuerst werden die Gerten trichterförmig nur auf den Boden gelegt. Im weiteren Aufbau nimmt sie der Trainer in die Hand, läßt sie locker nach unten fallen und bildet beim Näherkommen des Hundes mit Hilfe der Gerten einen Trichter.

Absicherung: Auch zur Absicherung nützen wir an Stelle von Zwang wiederum Passive Einwirkung - etwa in Verbindung angehobener Ausführungsforderungen: Der Trainer setzt den Hund ab und entfernt sich einige Schritte rückwärts. Auf der neuen Position dreht er sich in einem spitzen Winkel und ruft den Hund zu sich. Beim Herankommen hilft er dem Hund mittels Gerten (Leiteffekt), sich korrekt auszurichten.

Der Hund wird in kurzer Zeit lernen, daß Herankommen aus jeder Situation, selbst von der Seite oder von hinten kommend, mit exakt frontalem Vorsitzen zu beenden ist. Die extreme Aufgabenstellung, sich aus 90 oder gar 180 Grad frontal einzurichten, kommt in der klassischen Unterordnung nirgends vor. Beherrscht ein Hund jedoch das Vorsitzen aus jedem VVinkel, so bringt er genügend Absicherungsreservon für die relativ einfache prüfungsmäßige Anforderungen mit.

Passive Einwirkungen lassen sich für nahezu jede Ubung einsetzen : Bei der Freifolge beispielsweise verwenden wir den Leitzaun. Für nahes und parallel ausgerichtetes Gehen führen wir den Hund am Zaun entlang. Geht der Hund schief oder bedrängt er, so lassen wir den Hund außerhalb des Zauns.

Download des Berichts von: Doz. Ekard Lind - Salzburg


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